Ein BIM-Pilotprojekt ist sogar ohne „BIM-Ausschreibung“ möglich! – Die BIM-Einführung in der Bauausführungsphase für die Ortsumgehungsstraße in der Gemeinde Remchingen
Bei BIMSWARM stellen wir gerne verschiedene BIM-Anwender und ihre Erfahrungen mit der BIM-Methode der BIM-Community vor. Unsere Ansprechpartner teilen dadurch ihre Erkenntnisse über mögliche Ansätze im Bereich BIM und Digitalisierung und helfen weiteren Markteilnehmern dabei, die BIM-Einführung in ihren Organisationen und Projekten noch besser umzusetzen.
Umso mehr freuen wir uns heute, die BIM-Story des Projektteams für die Ortsumgehungsstraße in der Gemeinde Remchingen vorzustellen: REIF Bauunternehmung mit Sitz in Rastatt bei Karlsruhe; das Ingenieurbüro BAMI aus Remchingen; die Softwarefirma isl-kocher und die Auftraggeberin Gemeinde Remchingen. Das BIM-Pilotprojekt wurde auf Initiative des Bauunternehmens REIF umgesetzt, obwohl keine BIM-Modelle aus der Planungsphase vorhanden waren.
BIMSWARM: Sie haben ein BIM-Pilotprojekt umgesetzt. Welche Beteiligten gab es für die erfolgreiche Umsetzung und wie kam es zu diesem Projekt?
Alexander Klöcker, REIF: Als ein mittelständisches Bauunternehmen haben wir bei REIF schon früh das Potential der BIM-Methodik für uns erkannt. Mit Veränderung unserer technischen Ausführung optimieren wir den Workflow und stellen den passgenauen Einsatz von digitalen Tools praxisnah auf. So kam es, dass wir in der herkömmlichen Vergabe des Auftrags der Ortsumgehung in Remchingen an REIF ein ideales BIM-Pilotprojekt erkannten, in welchem die beteiligten Akteure durch unsere Koordination des Projektes zu Kooperationspartnern wurden.
Bürgermeister Prayon: Als die Firma REIF mit ihrer Idee eines BIM-Pilotprojektes an mich herantrat, wurde deutlich, dass in der Bauausführung das Know-how und die nötigen Softwaretools vorhanden sind, um ein erfolgreiches Pilotprojekt zu realisieren. Das Vertrauen in Gelingen und den Nutzen in Form von Kosten- und Terminsicherheit für uns als Kommune war da und die Freude darüber, diesen Innovationsschritt als Kommune einleiten/gehen zu können.
Anna Carina Kocher, isl-kocher GmbH: In Remchingen haben wir erlebt, wie die 3D-BIM-Modelle, sowie weitere unserer Softwaretools ihr volles Potential durch die Kooperation aller Beteiligten entfalten konnten. Die Modelle erhielten eine umfassende Datengrundlage und konnten so optimal im Sinne der BIM-Methodik für die gesamte Prozesskette – von der Bestandsaufnahme über die Ausführung, bis zur Abrechnung – genutzt werden. Als zentrale Datenbasis waren sie Dreh- und Angelpunkt für die Koordination und exakte und reibungslose Ausführung der Arbeitsschritte. Es war uns wichtig, REIF bei dieser innovativen Herangehensweise zu unterstützen.
BIMSWARM: Beschreiben Sie bitte kurz ihr BIM-Pilotprojekt. Welche Ziele haben Sie sich dafür gesetzt?
Alexander Klöcker, REIF: Die Ortsumgehungsstraße in der Gemeinde Remchingen bot sich als BIM-Pilotprojekt aus unterschiedlichen Gründen an. Das Projekt hatte die geeignete Größe und war auch komplex genug, um das Verfahren BIM realistisch testen zu können und vielschichtige Erfahrungswerte zu erhalten. Die 1,1-km lange Ortsumfahrung besitzt einen Kreisel, umfasst ein Brückenbauwerk, Lärmschutzwände, die Entwässerung sowie die Umlegung diverser Versorgungsleitungen. Ideal war darüber hinaus, dass sowohl die Gemeinde als Bauherr als auch das Ingenieurbüro BAMI, welches die Bauaufsicht führte, von der Idee begeistert waren. So konnten Auftraggeber, Planung und Bauausführung durch eine lückenlose Kooperation und positive Fehlerkultur die maximale kosten- und termingerechte Ausführung erzielen.
Als Ausführende haben wir praktisch geforscht, wie die störungs- und konfliktfreie Prozesskette zwischen den Beteiligten in der Bauausführung funktionieren kann, um so alle Vorteile durch die BIM-Methodik uneingeschränkt nutzen zu können. Diese weitreichenden Ergebnisse fließen nun direkt in die Gestaltung zukünftiger Workflows – in der Gemeinde, im Bauunternehmen und in der Gestaltung der Software – ein.
BIMSWARM: Was war notwendig, um dieses BIM-Projekt in die Umsetzung zu bringen? Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Alexander Klöcker, REIF: Für die gelingende Prozesskette in der Bauausführung sind unserer Erfahrung nach drei Aspekte Voraussetzung:
- Kooperation und Motivation der Akteure
- Passgenaue Koordination und positive Fehlerkultur – aus Ereignissen lernen, Prozesse optimieren
- BIM-fähige Software und technische Grundlagen zur digitalen Datenerfassung im Bauunternehmen und im Planungsbüro
Grundlegend müssen für die gelingende BIM-Prozesskette das nötige Know-how und technische Ausstattung gegeben sein. REIF ist hier bereits weit vorangegangen und hat mit der Einführung diverser Tools die nötige Grundlage geschaffen. Tatsächlicher Startpunkt des Pilotprojektes bildete die Initiative von REIF mit der Zusammenführung und Begeisterung der Akteure. Die Kommune Remchingen, BAMI Ingenieure und REIF bildeten die übergeordnete Kollaboration, verschiedene weitere Akteure wurden durch REIF als Koordinator hinzugezogen.
Das Potential der neuen Möglichkeiten war so eindrücklich, dass wir eine ausführliche digitale Datenerfassung genehmigt haben. Die Planungsmodelle hatten nun georeferenzierte Daten, die für die Bauausführung unerlässlich sind. Mittels Laserscanner, Drohnenbefliegung und Bodenradar konnten digitale Bestandsdaten vor Ausführungsbeginn erzeugt werden. Auf dieser Grundlage wurden BIM-fähige 3D-Modelle hergestellt, die allen Beteiligten zur Verfügung standen. Ungenauigkeiten in den Plänen/Bestandsdaten wurden vor dem Baubeginn erkannt, sodass eine Verzögerung durch einen Baustellenstillstand bereits im Vorfeld vermieden werden konnte. Die 3D-Modelle waren dann für weitere Anwendungsfälle nutzbar.
BIMSWARM: Welche BIM-Anwendungsfälle, Softwaretools und Technologien werden in Ihrem Pilotprojekt eingesetzt? Warum haben Sie diese ausgewählt?
Alexander Klöcker, REIF: Zentrale Auswahlkriterien waren die Motivation der Beteiligten sowie offene Datenschnittstellen für Datenaustausch (Open BIM). Die ausgewählten Anwendungsfälle waren die Bestandserfassung mit Drohnen und einem Bodenradar zum Erstellen der 3D-Modelle, die Überprüfung der übergebenen Bestandsdaten mit den Ergebnissen der Erfassung, die visuelle Kollisionsprüfung in den daraus resultierenden 3D-Modellen, die Ausgabe von 3D-Modellen für die Maschinensteuerung , die modellbasierte Mengenermittlung für Kalkulation und Bestellung, die Bauablaufplanung in Kombination mit LEAN, die modellbasierte Abrechnung sowie das Controlling und die Abrechnungsprüfung mit Augmented Reality (AR).Mittels der AR kann vor Ort ein Soll-Ist-Vergleich zwischen dem as-built Modell aus den durch Drohnen erzeugten Daten und der gebauten Realität erfolgen. Zudem konnten die Modelle online über eine Plattform (CDE) für alle Beteiligten der Bauausführung – vom Bauleiter bis zum Polier – abgerufen und für die jeweiligen Anwendungsfälle verwendet werden.
BIMSWARM: Welche Ergebnisse konnten bereits in Ihrem Pilotprojekt erreicht werden?
Alexander Klöcker, REIF: In Remchingen konnten die gemeinsam definierten Ziele – kosten- und termingerechte Ausführung, sowie prozessoptimierende Kooperation, soweit dies bei den aktuellen Regelungen durch die VOB möglich ist – erfüllt werden. Das schönste Ergebnis war jedoch zu sehen, dass dieser neue Workflow in der Praxis wirklich umsetzbar ist. Die Kooperation aller Akteure machte Potentiale nutzbar, sodass die Zusammenarbeit zu einer gemeinsamen Erfahrung von Effektivität wird. Technisch hat es uns große Freude bereitet, z. B. ein falsch eingezeichnetes Kabel bereits vor Baubeginn zu entdecken, um somit einen Baustopp oder eine Beschädigung zu vermeiden. Spannend war auch ein anderer Blick in mögliche Anwendungsfälle bzw. neue Prozesse: Anhand von AR haben wir das as-built-Modell, welches auch zur modellbasierten digitalen Abrechnung genutzt werden kann, mit der gebauten Realität vor Ort verglichen und konnten so eine visuelle Prüfung des fertigen Baus vor Ort erlebbar machen. Das Potential wird hier heute noch nicht in Gänze ausgeschöpft, da die Anerkennung dieser neuen Technologien – z.B. durch die VOB – fehlt. Eine exakte Abrechnung und Überprüfung über diese 3D-Modelle ist bereits jetzt technisch möglich und in Zukunft sicher der Standard. Wir sind gespannt, wie es sich weiter entwickeln wird.
BIMSWARM: Was haben Sie und Ihre Partner aus diesem BIM-Pilotprojekt gelernt?
Alexander Klöcker, REIF: Dieses BIM-Pilotprojekt hat uns gezeigt, dass es bereits jetzt und ohne „BIM-Ausschreibung“ möglich ist, die BIM-Methode mit all ihren Vorteilen umzusetzen – und das trotz der teilweise noch hinderlichen Rahmenbedingungen. Die derzeit gültigen Richtlinien sind auf die nicht digitalen Prozesse ausgelegt. Wenn der Wille zur digitalen Vorgehensweise und die Bereitschaft zur Kooperation mit einer positiven Fehlerkultur bei den Beteiligten vorhanden sind, lassen sich sogar die Einschränkungen durch die noch nicht angepassten Rahmenbedingungen handhabbar machen. Jedoch haben wir auch gesehen, und das war ja auch eine Motivation unseres Engagements hier, dass insgesamt noch ein größeres Augenmerk auf die Bauausführung gelegt werden muss. Die Erstellung und Fortschreibung der BIM-Modelle in der Bauausführung muss auch in den Handlungsempfehlungen verankert werden, sodass hier auch die Vergütung geregelt werden kann. Denn, die Kompetenz und Notwendigkeit sind da! Planen und Bauen gehen hier Hand in Hand und der Übergang wird fließender. Damit dieser Austausch zwischen Planen und Bauen reibungslos verläuft, müssen wir auch noch mehr über die Qualität von Daten, sowie deren Formate sprechen. Daten müssen für die Nutzbarkeit in der Bauausführung georeferenziert und in „offenen“ und definierten Datenformaten geliefert werden. Modellbasierte Daten müssen als valide anerkannt werden, von der Ausschreibung bis zur Abrechnung. Wir konnten erleben, wie durch besondere Vereinbarungen vieles davon möglich ist, jedoch wünschen wir, dass diese Prozesse zum Standard in der BIM-Strategie jedes Landes werden – denn, die BIM-Implementierung ist am Ende Ländersache.
BIMSWARM: Was würden Sie anderen Marktteilnehmern und insbesondere den Kommunen empfehlen, die sich noch überlegen, ob sie sich auf die BIM-Methodik umstellen sollen?
Alexander Klöcker, REIF: Nicht mehr Überlegen, sondern einfach „machen“. Viele Bauunternehmen haben das Know-how und können bereits jetzt die Koordination übernehmen. Wenn Auftraggeber und Planungsbüro bereit sind mitzuwirken, steht dem gemeinsamen Projekt kaum etwas im Wege. Kommen Sie gern auf uns zu, wir stehen für einen Erfahrungsaustausch gern zur Verfügung!
Mehr Information zum BIM-Pilotprojekt Remchingen finden Sie hier