Timo Betz, heinlewischer: „Das erste BIM-Pilotprojekt kam direkt im Anschluss an die BIM-Manager-Fortbildung.“
Es ist uns wichtig, dass hilfreiche Erfahrungen zur BIM-Methode möglichst breit verteilt werden. So können mehr Marktteilnehmer davon lernen!
Unser Interviewpartner für diese #BIM-Story ist Dipl.-Ing- Architekt Timo Betz, Teamleiter der BIM-Abteilung und BIM-Manager bei heinlewischer. Mit seinen Antworten auf unsere Fragen berichtet Herr Betz von der BIM-Einführung im Architekturbüro und erläutert die Ansätze bei BIM-Projekten bei öffentlichen Auftraggebern.
Es ergibt keinen Sinn, in den internen Prozessen
zweigleisig für Projekte mit BIM-Anforderungen
und solche ohne BIM-Anforderungen zu arbeiten.Wir setzen alle Projekte mit der BIM-Methode um.
Timo Betz
BIMSWARM: Stellen Sie bitte kurz Ihr Unternehmen und seine Haupttätigkeitsbereiche vor.
TB: heinlewischer ist mit über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus mehr als 30 Nationen an sechs Standorten vertreten. Wir arbeiten an anspruchsvollen Projekten mit den Schwerpunkten Bildung, Gesundheit und Forschung sowie Kultur und Verwaltung für überwiegend öffentliche Auftraggeberinnen und Auftraggeber – vom Wettbewerb bis zur Objektüberwachung.
Wir stehen für ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander. Seit 1962 streben wir gemeinsam nach der besten Architektur.
BIMSWARM: Was ist die Motivation in Ihrem Unternehmen mit der BIM-Methode zu arbeiten? Welche BIM-Ziele setzen Sie sich auf der Organisations- und Projektebene?
TB: Dazu möchte ich etwas weiter ausholen: Im Rahmen meiner Tätigkeit als CAD-Administrator bin ich 2013 auf die BIM-Methodik aufmerksam geworden. Aus dem tieferen Einarbeiten in die Planungsmethode ergab sich für heinlewischer die Erkenntnis, dass wir damit rechnen müssen, dass unsere überwiegend öffentlichen Bauherrinnen und Bauherren über politische Zielsetzung ihre Projekte in Zukunft mit Leistungsbildern der BIM-Planungsmethodik ausschreiben werden. So konnte ich zusammen mit einem Kollegen eine Weiterbildung als BIM-Manager durchlaufen, die uns auf die anstehenden Themen vorbereitet.
Vorkenntnisse mit dem Einsatz von 3D-Geometrie Modellen und angeschlossener Kollisionserkennung waren im Büro zu dem Zeitpunkt durchaus vorhanden. Bei diesen Projekten gab es aber immer die Schwierigkeit, dass diese Leistung parallel zur klassischen 2D-Planung mitgeführt wurde, weil die eingesetzte Software für die Planableitung aus dem 3D-Modell unseren Ansprüchen an die Pläne nicht gerecht wurde. Eine Einflussnahme auf die Entwicklung dieser Software hat sich uns dabei nicht geboten. Doch das Potential der Prüfungsmöglichkeiten einer 3D-Kollisonserkennung hat uns interessiert.
Das erste vollständige BIM-Pilotprojekt kam dann auch direkt im Anschluss an die BIM-Manager-Fortbildung: Unser Büro hatte sich mit einem Planungsteam bei einer privaten Auftraggeberin für ein BIM-Leuchtturmprojekt, die Viega World in Attendorn, beworben. Für ein Pilotprojekt, welches dazu wissenschaftlich betreut wurde, waren die Ausprägung und die BIM-Ziele aus der damaligen Sicht durchaus ambitioniert.
Der Neubau ist ein Plusenergiehaus mit Ausstellungsflächen, Büro-, Seminar- und Schulungsräumen. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wurde integral geplant und konsequent entlang eines digitalen Modells realisiert und dabei vom Lehrstuhl für energieeffizientes Bauen der RWTH Aachen, Prof. Christoph van Treeck, begleitet. Schließlich zeichnete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) die Viega World mit dem Zertifikat in der höchsten Kategorie Platin aus.
Das Weiterbildungszentrum setzt auch didaktisch neue Maßstäbe: Die technische Ausrüstung des Hauses kann in den Schulungen direkt in der Praxis vorgeführt werden. Alle im Gebäude ablaufenden Prozesse unterliegen einem lückenlosen Monitoring. So werden das Gebäude und der durch die BIM-Planung entstandene digitale Zwilling durch interaktive Exponate und transparente Wände selbst zum Lernobjekt.
Letztendlich hat die Durchführung dieses Projektes allen Beteiligten aufgezeigt, welche Prozesse sich bewähren und welche wir konsequent bei neuen Projekten übernehmen wollen. Eine weitere Folge der strategischen Festlegung war, dass es keinen Sinn ergibt in den internen Prozessen zweigleisig für Projekte mit BIM-Anforderungen und solche ohne BIM-Anforderungen zu arbeiten. Seitdem setzen wir alle Projekte mit der BIM-Methode um.
Unsere Projekte sind zudem in der Regel – besonders bei Forschungs- und Gesundheitsbauten – durch einen hohen Anteil an Technischer Gebäudeausstattung gekennzeichnet. Ein integrativer Planungsansatz und die zugehörige Koordination bieten somit beste Grundlagen, um die BIM-Planungsmethodik anzuwenden.
Auf bestimmte Anwendungsfälle, wie z. B. das Ableiten von Plänen aus den 3D-Modellen oder die Geometrieprüfungen war die Resonanz sofort sehr positiv. Bei anderen Anwendungsfällen hat sich das sogenannte Frontloading, also der typische Mehraufwand in den frühen Leistungsphasen bewahrheitet und der Nutzen nicht direkt herausgestellt.
Das führte uns zu einer sehr differenzierten und nicht ausschließlich positiven Betrachtung der Anwendungsfälle. Dennoch wurden das Potential und der Mehrwert für die Projektdurchführung erkannt. Und so haben wir einen eigenen Katalog von BIM-Anwendungsfällen erarbeitet, den wir zu Anfang eines jeden Projekts abstimmen – unabhängig davon, ob BIM vertraglich verabredet wird oder nicht. Damit legen wir projektbezogen den Umfang der Anwendungsfälle fest.
Bei Projekten, bei denen wir keine Leistungsbilder mit der BIM-Planungsmethodik schulden, klären wir mit allen Planungsbeteiligten ab, ob ein modellbasierter Datenaustausch, die Durchführung von Kollisionsprüfung und das Durchführen unseres eigenentwickelten Schlitz- und Durchführungsprozesse möglich ist. Bei diesen Projekten nimmt der Einsatz von BCF-Kommunikation weiter an Fahrt auf.
Zu unserem Selbstverständnis gehört es dabei, alle Projekte als Open BIM-Projekte durchzuführen.
BIMSWARM: Wie sieht Ihre interne BIM-Organisation aus?
TB: Für die strategische Ausrichtung wurde 2020 eine BIM-Lenkungsgruppe eingeführt, die sich drei bis vier Mal jährlich trifft, um die strategische Ausrichtung und Prozessentwicklung zu besprechen.
In dieser Gruppe treffen sich Projektleiterinnen und -leiter der Standorte, der verantwortliche Partner oder die Partnerin zu dem Thema mit mir und anderen Beteiligten aus der BIM-Abteilung. Unsere BIM-Abteilung selbst ist dank der Motivation, die BIM-Planungsmethodik bei heinlewischer einzusetzen, personell breit aufgestellt, so dass wir hier Untergruppen zu Prozessentwicklungen, Content-Management, CAD-Betreuung, Programmierung und Projektbetreuung bilden können.
BIMSWARM: Sie engagieren sich stark für die BIM-Einführung und Pilotprojekte bei der öffentlichen Hand. Wie würden Sie die aktuelle Situation bei öffentlichen Auftraggebern bezeichnen? Sind sie bereits imstande, BIM-Leistungen zu beauftragen und abzunehmen?
TB: Unsere öffentlichen Auftraggeberinnen und Auftraggeber sind sehr unterschiedlich organisiert. Wir haben z. B. Landesbaubetriebe oder Bauverwaltungen, die über verschiedene Organisationsebenen gegliedert sind. Letztendlich gilt es auch dort für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein erstes eigenes BIM-Projekt durchzugehen. Eine entscheidende Frage ist hier, wie die Begleitung durch geschultes Personal stattfindet.
Leider mussten wir neben vielen positiven Erfahrungen auch vereinzelt weniger gute machen: Bei den weniger guten Erfahrungen waren entweder die fehlende Motivation, sich auf die neue Methode einzulassen, oder die mangelnde interne bauherrenseitige Vorbereitung auf die Planungsmethodik ausschlaggebend. Bei mangelnder interner Unterstützung oder fehlenden Vorkenntnissen versuchen wir unsere Bauherrschaft zu unterstützen. Unser Wirkungskreis bleibt dann allerdings eher auf die Begleitung der mit BIM durchgeführten Planungsleistung beschränkt.
Eine eigene Abnahme der bestellten BIM-Leistungen ohne Unterstützung von Dritten habe ich bei unseren Bauherrinnen und Bauherren noch nicht kennengelernt. Die Prüfung von BIM-Leistungen wird bei unseren Projekten überwiegend durch ein externes BIM-Management erbracht, welches dann über ein Berichtswesen die Auftraggeberinnen und Auftraggebern informiert.
BIMSWARM: Welche Herausforderungen für die Verbreitung der BIM-Methode bei öffentlichen Auftraggebern sehen Sie als besonders akut? Welche Maßnahmen können helfen, diese zu überwinden?
TB: heinlewischer hat bei der Durchführung von Pilotprojekten selbst erkannt, wie wesentlich die Begleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Veränderung der bestehenden Arbeitsweise ist. Denn solange die Vorzüge von BIM nicht [an-]erkannt werden, bleibt BIM eine Methode mit Mehraufwand und ohne Nutzen für den Projekterfolg.
Allgemein sehe ich hier als wichtigsten Baustein, Qualifikationskonzepte und Qualifikationsangebote anzubieten, die sich an den BIM-Zielen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers orientieren. Ich würde mir von unseren öffentlichen Bauherren wünschen, dass sie mit diesem Wissen ihre BIM-Rolle aktiver gestalten.
Die Ausgestaltung von Verträgen mit Dienstleisterinnen und Dienstleistern für die Bauherrin oder den Bauherren sollten sorgfältig und mit Blick auf die geforderten BIM-Leistungsziele abgestimmt sein.
BIMSWARM: Welche Risiken sehen Sie bei der BIM-Einführung, die öffentliche Auftraggeber vermeiden sollen?
TB: Als Planungsteilnehmerin hat heinlewischer folgende Erfahrungen gemacht, die im Zuge der Durchführung von Projekten Risiken ausgelöst haben:
Die Erarbeitung von vertragsrelevanten Dokumenten für die Ziele und für die zugehörigen Leistungen mit der BIM-Planungsmethodik sollten vollständig vorbereitet werden und auf das entsprechende Projekt angepasst werden, bevor alle Beteiligten sich auf den Weg machen. Die Vertragsdokumente sollten sich bezüglich der Leistungsziele nicht widersprechen und so klar formuliert sein, dass eine seriöse Kalkulation für die Angebotserstellung möglich ist.
Ein Mangel ist aus meiner Sicht hier oft eine ungenügende Beschreibung des Erstellens, Fortschreibens und Koordinierens eines As-Built-Modells. Wie soll hier im Rahmen einer regelmäßig abgefragten Pauschalvergütung bei ungenügenden Angaben ein seriöses Angebot unterbreitet werden?
Die Ausgestaltung von Verträgen mit Beteiligten für die Bauherrin oder den Bauherren sollten sorgfältig und mit Blick auf die geforderten BIM-Leistungsziele abgestimmt sein und keine Lücken aufweisen. Alle Planungsbeteiligten, die bei den BIM-Anwendungsfällen involviert werden, sollten zum Planungsstart beauftragt sein, ansonsten steigt unnötigerweise der Abstimmungsaufwand oder aber das Erreichen der Ziele wird erschwert.
Vertragstermine sollten möglichst so ausgestaltet werden, dass geforderte BIM-Anwendungsfälle auch zeitlich in der dafür vorgesehen Leistungsphase durchgeführt werden können. Bei zu knapp bemessenen Zeiträumen ist der Reflex naheliegend, alles, was den Terminablauf stört, wegzulassen. Zu knappe Termine sorgen unter Umständen für Lücken oder für ein zeitweise überdurchschnittlich hohes und eigentlich in der Form vermeidbares Arbeitsaufkommen.
BIMSWARM: Was würden Sie öffentlichen und privatwirtschaftlichen Marktteilenehmern empfehlen, die noch unschlüssig sind, ob sie sich auf BIM umstellen sollen?
TB: Auf jeden Fall machen und mitgestalten!
BIMSWARM: Vielen Dank, lieber Herr Betz, für Ihre wertvollen Einblicke und Erfahrungen. Wir wünschen Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen weiterhin viel Erfolg im neuen Jahr 2024!
Haben Sie eine eigene BIM-Story, die Sie mit anderen Markteilnehmern teilen würden? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme über contact@bimswarm.de!
Ihr BIMSWARM-Team